Ulrich hat beruflich und aus Berufung viel mit Zahlen zu tun – Statistiker, jetzt vor allem im Einsatz bei der Auswertung der Daten zur aktuellen Pandemie.
Es war ihm zur Angewohnheit geworden, sich regelmäßig selbst
zu testen.
Eines Morgens – Positiv!
Überrascht, nicht besonders erschrocken, da er sich nicht
zur Risikogruppe zählte, ruft er seiner Frau zu: „Schatz, mein Test ist
positiv!“
Sie antwortet: „Was, zeig her, das glaub ich nicht! Wo
solltest du dich denn angesteckt haben?“
Er zeigt ihr den Test. „Aber das ist doch einer von meinen
Schwangerschaftstests! Und er ist positiv! Als ich vorher einen gemacht habe,
also mein Schwangerschaftstest war negativ!“ Den richtigen Coronatest, den er
dann doch noch zuwege brachte, war dann wie erwartet negativ
Sie ließen es nicht darauf beruhen, vermutlich Opfer eines
statistischen Fehlers geworden zu sein. Auch alle weiteren Tests in den
modernsten Laboratorien und Spitälern des Landes ergaben das gleiche Resultat:
er war schwanger und würde ein Kind auf die Welt bringen! Es gab zwar keine
wirkliche Erklärung dafür, wie das überhaupt möglich sein konnte – eine
Freundin mit starkem Hang zur Esoterik meinte, es müsse eine Art
Selbstbefruchtung gewesen sein, schließlich war sie schon immer der Meinung,
dass Männer ihrem weiblichen Anteil mehr Raum geben sollten – aber nach der
üblichen Zeit war auch am Ultraschall ersichtlich, dass es ein Mäderl ist.
Es sollte ihr erstes Kind sein, und sein Fokus richtete sich
darauf, in welcher Welt sie sich wünschten dass es aufwächst und wie diese Welt
aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich aussehen wird – und was dazu getan
werden kann, das es eine gute Welt ist!
Er war sich bewusst, dass er nun tatsächlich einen
gewichtigen Beitrag leisten konnte. Er war eine Berühmtheit geworden, die
Aufmerksamkeit der Medien war auf ihn gerichtet, sein Blog wurde von Millionen
gelesen und kommentiert – nicht, dass er viel Aufmerksamkeit darauf verschwendete,
er konzentrierte sich vielmehr auf die statistischen Daten, die ja nunmehr Dank
der Zusammenarbeit von internationalen Organisationen in großer Menge – und
kostenlos! – zur Verfügung standen. Er hütete sich auch davor, in irgendeiner
Form eine Ideologie oder Regierungsform zu bevorzugen, er wies vor allem auf
die Daten hin und ermunterte dazu, sich selbst einen Reim darauf zu machen –
die Mehrzahl der Leute war ja nicht blöd, auch das ließ sich aus den Daten
herauslesen.
Ein wichtiger Indikator für ihn war jedenfalls die
Kindersterblichkeit – weltweit gesehen war diese in den letzten 20 Jahren
erheblich zurückgegangen, zusammen mit einem Rückgang extremer Armut und der
Geschwindigkeit des Bevölkerungswachstums sowie mit einem weltweiten Anstieg des
Durchschnittseinkommens – durchaus überraschend auch für ihn, wurde er doch von
den Medien mit ganz anderen Aussagen und Inhalten bombardiert. Die
entscheidenden Faktoren dazu klangen recht banal – Bildung, sauberes Wasser,
Elektrizität waren dabei entscheidende Faktoren. Und er war sich auch bewusst,
dass diese Entwicklung keine Selbstverständlichkeit war und durchaus einen
falschen Weg einschlagen konnte – die Zacken auf den Statistiken des 20.
Jahrhunderts zeigten genau die Weltkriege, die spanische Grippe oder die
Hungersnot in China noch in den 1960er Jahren. Und genau so ließ sich auch
herauslesen, wie wichtig weltweit koordiniertes Vorgehen für die ökologischen
Probleme war.
Auch in seinem unmittelbaren Umfeld konnte er nun
gravierende Missstände verorten, die ihm vorher nicht so bewusst waren – warum
gab es keine flächendeckenden Einrichtungen zur Kinderbetreuung, warum gab es
so offensichtliche Defizite im Bildungsbereich? Warum wurden Organisationen
gefördert, die unverblümt Ungleichbehandlung von Mann und Frau befürworteten?
Dagegen konnte er nun mit Vehemenz auftreten.
Er selbst war ja nun ein winziger statistischer Teil – der erste
schwangere Mann! Wer weiß, ob das eine einmalige Laune der Natur war oder auch
einen exponentiellen Verlauf nehmen sollte? Evolutionär betrachtet machte es durchaus
Sinn, auch wenn es noch keine Erklärung dafür gab ….
Jedenfalls hatten sie schon einen Namen gefunden, völlig
frei von Statistik und für den Fall der Fälle auch für einen Buben – man weiß ja
nie genau was kommt.
Auf die Zukunft!