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Mittwoch, 30. Dezember 2020

Übermenschliches im Lebensmitteleinzelhandel, Dramolett in 5-6 Akten

Übermenschliches im Lebensmitteleinzelhandel, Dramolett in 5-6 Akten

1. Akt
(Wiener Neudorf, Rewe-Zentrale, dunkel getäfelter Sitzungssaal, düstere Stimmung.
DER FINANZ-VORSTAND im eng anliegenden Designeranzug hält eine Ansprache an die versammelten Verkaufsleiter)
DER FINANZ-VORSTAND (theatralisch, es klingt aber eingeübt): ...möchte ich Ihnen für Ihren grossartigen Einsatz in diesen herausfordernden Zeiten aus vollem Herzen danken. Sie haben wahrlich Übermenschliches geleistet!
(hält inne und schaut jeden Einzelnen prüfend an. Dann etwas leiser, mit heiserer Stimme)
DER FINANZ-VORSTAND: Leider haben wir ein Problem mit unseren Eigentümern; sie sind unzufrieden, weil wir unsere Umsatzrendite zu wenig gesteigert haben. Außerdem konnten wir die Personalkosten nicht im geplanten Ausmaß reduzieren. Der Aufsichtsrat verlangt von uns eine straffere Personalpolitik. Noch dazu hat uns die Spar beim Umsatz überholt.
(holt tief Luft, entschlossener)
DER FINANZ-VORSTAND: Das bedeutet, dass wir unsere geplanten Jahresprämien kürzen müssen. Die drei Verkaufsleiter mit den schlechtesten Zahlen werden ihren Job verlieren. Aber ich versichere Ihnen, dass wir für Sie alle eine Lösung finden werden. (setzt eine zuversichtliche Miene auf und endet mit salbungsvoll aufmunternden Sprüchen)
DER MERKUR-VERKAUFSLEITER (ängstlich zu sich): In der Filiale kann ich nicht mehr arbeiten, da verlier ich mein Dienstauto, was würde meine Frau sagen?
DER BILLA-VERKAUFSLEITER (leise, zu seinem Nachbarn): Wie soll ich jetzt den Anwalt für meine Scheidung zahlen?
DER PENNY-VERKAUFSLEITER (wispert zurück): Ich muss rasch zur Bank, hoffentlich kann ich die Raten für mein neues Haus reduzieren.
(Vorhang)

2. Akt
(Strasshof, heruntergekommene BILLA-Filiale, nach Geschäftsschluss, winziges Büro des Filialleiters. DER BILLA-VERKAUFSLEITER steht mit dem BILLA-FILIALLEITER zwischen unordentlich gestapelten Kisten und ein paar abgewetzten Aktenordnern. Stechender Geruch nach Reinigungsmittel)
DER BILLA-VERKAUFSLEITER (eindringlich): Ausgmacht hamma, dass du die Personalstunden um 5% reduzieren wirst. Und jetzt hast im letztem Monat wieder 10 Stunden zuviel aufgschrieben. Da schauts mit deiner Prämie schlecht aus!
DER BILLA-FILIALLEITER (weinerlich): Es war halt vü Gschäft, wir hobn um 5.300 Euro mehr Umsatz gmacht, da brauch i mindestens zwa offene Kassn.
DER BILLA-VERKAUFSLEITER (ärgerlich): Deine Nachbarfilialen schoffens a, (leise): lass deine Kassierinnen hoit weniger Stunden schreibn.
DER BILLA-FILIALLEITER (verzweifelt): Dann rennans ma zua Gewerkschoft und wir haben an Wirbel wie letztes Joah mitn Oabeitsinschpektorat. Beim Penny ums Eck habens a Kassierin varhoftn lossen, weus wieda gfladert hot.
(zu sich:) I brauch die Prämie fia meine Schuidn, sonst muas i ma wieda wos aus da Kassa borgn...
(Vorhang)

3. Akt
(Strasshof, dieselbe BILLA-Filiale im Morgengrauen, 5 Minuten nach der Öffnung)
DIE BILLA-KASSIERIN (läuft abgehetzt zu ihrer Kasse, ihr Kopftuch ist verrutscht): Gut, doss kane Kunde ist da!
DER BILLA-FILIALLEITER (aufgebracht): Jetzat kummst scho wieda zspät, des ziag i da von deine Stundn o.
DIE BILLA-KASSIERIN (verschüchtert): Chef, Tochta hota Fiaba und Oma no ned do. Schnöbohn kaput. Oba Problema mit meine Lohnzettl, 13 Stundn föhlen.  Ich brauchen Göd fia Familie, du host vasprochen!
DER BILLA-FILIALLEITER (wütend): Wonnst goschat wiast, hau i di aussa...
(Vorhang)

4. Akt
(Strasshof, dieselbe BILLA-Filiale gegen Mittag, es riecht säuerlich, bei Kasse 2 stehen mehrere Kunden, eine ältere Kundin kramt in ihrer verschlissenen Geldbörse)
DIE BILLA-KASSIERIN: 7 Euro 96!
DIE ÄLTERE KUNDIN (verzweifelt): I hob do no an Zwanzga iagendwo kopt?
(reicht der Kassierin ihre Geldbörse)
DIE BILLA-KASSIERIN (schaut angewidert in die Geldbörse, streng): Da san nua 5 Euro drinnan. Wenn nicht kennan zohln, bitte verlossn Kassa. (räumt die wenigen Artikel der ÄLTEREN KUNDIN vom Kassatisch, hastig:) Ich missen in Stunde 120 Kunde kassiern.
DIE NÄCHSTE KUNDIN: Unglaublich, welches Gsindl da heute einkaufen will...
(Vorhang)

5. Akt
(Markgrafneusiedl, verfallenes Haus, feuchtes Kellergeschoss, alter Fernsehapparat, davor die BILLA-KASSIERIN, müde sieht sie ein Interview mit dem REWE-CHEF)
DER REWE-CHEF: ...wir wachsen deutlich stärker als in den Vorjahren. Der höhere Umsatz ist nicht wegzudiskutieren. Wir sind die letzte Branche, die sich beklagen darf.
DER REPORTER: Ihre Mitarbeiter stehen seit Beginn der Krise an der vordersten Front, leisteten, wie Sie selbst einmal betonten, Übermenschliches. Wie gelten Sie Ihnen das finanziell ab?
DER REWE-CHEF: Wir zahlen heuer zwei Prämien. Im Frühjahr waren es 200 Euro je Vollzeitmitarbeiter. Nun sind es erneut 200 Euro. Das Geld kann bei uns im Konzern eingelöst werden.
DER REPORTER: Mit Verlaub, aber sind 400 Euro nicht sehr bescheiden? Zumal die Gehaltserhöhung für 2021 mit 1,5 Prozent mager ausfällt.
DER REWE-CHEF: Wir haben 46.000 Mitarbeiter, da geht es unterm Strich um hohe Summen: rund 15 Millionen Euro. Wir haben ab 2022 einen neuen Kollektivvertrag, der die Personalkosten stark belastet, sicher wieder mit einem zweistelligen Millionenbetrag. Im Jahr davor muss die Anpassung daher vernünftig sein...
DIE BILLA-KASSIERIN (ist erschöpft vor dem Fernseher eingeschlafen)
(Vorhang)

6. Akt (sog. Bonus-Akt, wird nur gespielt, wenn sich das Publikum durch großen Beifall qualifiziert hat)
(Köln, ein gepflegter Golfplatz nahe dem Standort der REWE-ZENTRALFINANZ eG. Am Green des 7. Lochs unterhalten sich 2 REWE-GROSSHÄNDLER angeregt mit dem REWE-AUFSICHTSRATSVORSITZENDEN, alle sind sportlich-leger gekleidet und verwalten nette Anteile an der REWE-GROUP)
ERSTER REWE-GROSSHÄNDLER: Habt ihr gestern den REWE-CHEF von Österreich in den Spätnachrichten gesehen?
DER REWE-AUFSICHTSRATSVORSITZENDE: Ach ja, der Gute gab ja jestern ein Interview im Österreichischen Fernsehen.  
ZWEITER REWE-GROSSHÄNDLER: Ist mir irgendwie abgeschlafft vorgekommen. Der hat doch früher mal mehr Mumm gezeigt.
ERSTER REWE-GROSSHÄNDLER: Kam mir auch recht saturiert vor. Vielleicht waren wir doch zu großzügig bei seinen Tantiemen?
DER REWE-AUFSICHTSRATSVORSITZENDE: Könnte sein, dass der irgend ne soziale Ader bei sich entdeckt und uns noch zum Gutmenschen verkommt. Muss ihm mal wieder etwas Feuer unterm Hintern machen.
ZWEITER REWE-GROSSHÄNDLER: Falls du Ersatz brauchst, ich kenn da ein paar hungrige Leute, die wieder neuen Schwung reinbringen könnten...
(alle drei lachen wissend. Der ERSTE REWE-GROSSHÄNDLER rollt seinen Golfball unbemerkt von den beiden anderen mit der linken Ferse näher zum Loch.)
(Vorhang)

Quellen:
https://www.derstandard.at/story/2000122382141/rewe-chef-haraszti-oesterreich-ist-ein-paradies-fuer-amazon
https://de.wikipedia.org/wiki/Rewe_Group

https://www.rewe-group.at/
https://www.rewe-group.com/de/unternehmen

Die einzelnen Szenarien sind natürlich frei erfunden.
Jede Ähnlichkeit mit realen Personen, Organisationen oder Lokationen ist rein zufällig.


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