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Donnerstag, 1. Juli 2021

Grenzenloses Wachstum oder vernünftige Regeln?

Brauchen wir heute ökonomische Grenzwerte?

Dazu ein paar Fragen und Antworten:

Warum wird die Kluft zwischen den Reichen und dem Rest der Bevölkerung jetzt immer grösser? 

  1. Weil Vermögen sich schon auf Grund einer mathematischen Gesetzmäßigkeit an wenigen Stellen konzentriert.
  2. Zusätzlich nutzen Reiche ihren grösseren gesellschaftlichen Einfluss dazu, ihre Chancen auf weiteren Vermögenszuwachs zu verbessern.

Welchem mathematischen Gesetz folgt die Akkumulation von Vermögen?

Vermögenswerte entstehen durch exponentielle Wachstumsprozesse.
Beispiele für exponentielle Wachstumsprozesse sind:

  • Zinsen: Neues Vermögen = altes Vermögen * Zinssatz
  • Pandemie: Neue Anzahl Infizierter = Alte Anzahl Infizierter * Ansteckungsrate

Exponentielles Wachstum führt ganz automatisch zur Konzentration.
Die wenigen Gewinner müssen dazu gar keine Tricks anwenden, es geht ganz von selbst.

Bei exponentiellen Wachstumsprozessen gilt das Gesetz der Ergodizität NICHT,
das bedeutet konkret: der Mittelwert aller Vermögen zu einem Zeitpunkt verhält sich ganz anders als der Mittelwert einzelner Vermögen über die Zeitachse. Dadurch können die meisten einzelnen Vermögen über die Zeitachse sinken, obwohl der errechnete Mittelwert aller Vermögen zu einem Zeitpunkt zunimmt.

Was ist die Erklärung für dieses scheinbar unlogische Phänomen?

Das stark überproportionale Wachstum des Vermögens einzelner weniger treibt den Mittelwert aller Vermögen in die Höhe.
So steigt das Gesamtvermögen, obwohl das Vermögen der meisten Menschen weniger wird.
Trotz steigendem Bruttosozialprodukt kann das Einkommen der meisten Menschen sinken.
Die Behauptung "Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es allen gut" gilt daher für die meisten Menschen nicht.

Die Konzentration von Vermögen folgt also einem mathematisch darstellbarbaren Naturgesetz.
Wir können das mit einer einfachen Tabellenkalkulation demonstrieren.

Kann man überhaupt etwas gegen Naturgesetze tun?

Menschliche Gesellschaften haben schon immer Regeln definiert, die die Wirkung von Naturgesetzen erfolgreich regulierten.
Oft wurden zulässige Grenzwerte festgelegt, um Kooperation und Zusammenleben zu erleichtern.
Viele dieser Grenzwerte erscheinen uns heute als nützliche und selbstverständliche Spielregeln, die Naturgesetze regulieren: 

  • Schwerkraft:
    • Maximale Personenanzahl in Liften oder Autobussen
    • Maximale Traglast von Brücken oder Kränen
    • Maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit eines Fahrzeugs

  • Fliehkraft:  
    • Maximal zulässige Drehzahl

  • Bauordnung:
    • Maximal zulässige Bauhöhe
    • Maximal verbaute Grundfläche
    • Mindestabstand zum Nachbargrundstück

  • Gesundheit:
    • Maximaler zulässiger Alkoholgehalt im Blut eines Verkehrsteilnehmers
    • Maximal zulässiger Schallpegel
    • Maximal zulässige radioaktive Strahlung
    • Maximal zulässiger Ozonwert
    • Maximaler Schadstoffausstoss eines Kraftfahrzeugs

  • sogar in der Ökonomie wurden einige Grenzwerte festgelegt:
    • Mindestlohn
    • Mindestbeitragsgrundlage
    • Maximaler Lohnsteuersatz
    • Existenzminimum

Was ist das Gemeinsame all dieser Regeln?

Alle diese Grenzwerte regulieren Abläufe, die bekannten Naturgesetzen folgen.
Ohne leitende Regeln der Gemeinschaft würde der freie Lauf mancher Naturgesetze Schaden anrichten.
In der Ökonomie ist das Naturgesetz bis heute leider weitgehend unbekannt, dass unreguliertes exponentielles Wachstum automatisch zur Vermögenskonzentration bei wenigen Superreichen und damit langfristig zur Verelendung aller Anderen führt. Aber mmer mehr Wissenschafter erkennen jetzt dieses Naturgesetz, unter anderem Ole Peters.

Warum ist dieses Naturgesetz relativ unbekannt?

Weil die raditionelle Ökonomie heute immer noch tonangebend ist und sich stark an neoliberalen Modellen orientiert (Hajek, Mont Pelerin Gesellschaft). Diese alten Modelle basieren auf der falschen Annahme der Ergodizität von Wachstumsprozessen.

Welche zulässigen Grenzwerte wird jemand fordern, der das Naturgesetz exponentiellen Wachstums verstanden hat?

Wie können diese Grenzwerte durchgesetzt werden?

Ganz einfach durch gerechte Erbschaft-, Einkommen- und Vermögensteuern.

Wurde so etwas schon einmal erfolgreich umgesetzt?

Natürlich: zum Beispiel im New Deal Roosevelts und nach dem 2. Weltkrieg auch in Europa.
Bereits in der griechischen Antike kannte man den σεισάχθεια Schuldenerlass, der die Konzentration von Vermögen regelmäßig begrenzte. Auch die Israeliten waren durch das Rechtsinstitut des Erlassjahrs verpflichtet, alle 49 Jahre ihren untergebenen Volksangehörigen einen vollständigen Schuldenerlass gewähren.
Generell wurden solche die Vermögen regulierenden Maßnahmen oft nach Krisen durchgesetzt.
Thomas Piketty hat darüber in seinen 2 Büchern viel Material  publiziert.

Warum gibt es dann heute keine ausreichenden Regeln mehr?

Weil sich ab den 1980er Jahren koordinierte neoliberale Strömungen durchgesetzt haben. Die meisten sozialdemokratischen Parteien haben sich aus Angst vor Machtverlust diesen Strömungen unreflektiert angeschlossen und damit ihre traditionellen Ziele verraten. Viele traditionell neoliberal ausgebildete Wissenschafter beraten die Regierungen und verhindern damit dringend notwendige Reformen und Gesetze.

Was ist also heute zu tun?

  1. Gegensteuern durch gerechte "Steuern", die grenzenlosen Reichtum und dadurch Machtkonzentration bei Wenigen und Verarmung von Vielen verhindern.
  2. Für demokratische Entscheidungsprozesse, Gleichbehandlung und Gerechtigkeit eintreten. Nicht nur ökonomisches Kapital, auch soziales Kapital (Beziehungen) und kulturelles Kapital (reiche Kinder bekommen bessere Ausbildung) sind heute extrem ungleich verteilt.


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