Samstag, 2. Januar 2021

MAGIC DATA

 Ulrich hat beruflich und aus Berufung viel mit Zahlen zu tun – Statistiker, jetzt vor allem im Einsatz bei der Auswertung der Daten zur aktuellen Pandemie.

Es war ihm zur Angewohnheit geworden, sich regelmäßig selbst zu testen.

Eines Morgens – Positiv!

Überrascht, nicht besonders erschrocken, da er sich nicht zur Risikogruppe zählte, ruft er seiner Frau zu: „Schatz, mein Test ist positiv!“

Sie antwortet: „Was, zeig her, das glaub ich nicht! Wo solltest du dich denn angesteckt haben?“

Er zeigt ihr den Test. „Aber das ist doch einer von meinen Schwangerschaftstests! Und er ist positiv! Als ich vorher einen gemacht habe, also mein Schwangerschaftstest war negativ!“ Den richtigen Coronatest, den er dann doch noch zuwege brachte, war dann wie erwartet negativ

Sie ließen es nicht darauf beruhen, vermutlich Opfer eines statistischen Fehlers geworden zu sein. Auch alle weiteren Tests in den modernsten Laboratorien und Spitälern des Landes ergaben das gleiche Resultat: er war schwanger und würde ein Kind auf die Welt bringen! Es gab zwar keine wirkliche Erklärung dafür, wie das überhaupt möglich sein konnte – eine Freundin mit starkem Hang zur Esoterik meinte, es müsse eine Art Selbstbefruchtung gewesen sein, schließlich war sie schon immer der Meinung, dass Männer ihrem weiblichen Anteil mehr Raum geben sollten – aber nach der üblichen Zeit war auch am Ultraschall ersichtlich, dass es ein Mäderl ist.

Es sollte ihr erstes Kind sein, und sein Fokus richtete sich darauf, in welcher Welt sie sich wünschten dass es aufwächst und wie diese Welt aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich aussehen wird – und was dazu getan werden kann, das es eine gute Welt ist! 

Er war sich bewusst, dass er nun tatsächlich einen gewichtigen Beitrag leisten konnte. Er war eine Berühmtheit geworden, die Aufmerksamkeit der Medien war auf ihn gerichtet, sein Blog wurde von Millionen gelesen und kommentiert – nicht, dass er viel Aufmerksamkeit darauf verschwendete, er konzentrierte sich vielmehr auf die statistischen Daten, die ja nunmehr Dank der Zusammenarbeit von internationalen Organisationen in großer Menge – und kostenlos! – zur Verfügung standen. Er hütete sich auch davor, in irgendeiner Form eine Ideologie oder Regierungsform zu bevorzugen, er wies vor allem auf die Daten hin und ermunterte dazu, sich selbst einen Reim darauf zu machen – die Mehrzahl der Leute war ja nicht blöd, auch das ließ sich aus den Daten herauslesen.

Ein wichtiger Indikator für ihn war jedenfalls die Kindersterblichkeit – weltweit gesehen war diese in den letzten 20 Jahren erheblich zurückgegangen, zusammen mit einem Rückgang extremer Armut und der Geschwindigkeit des Bevölkerungswachstums sowie mit einem weltweiten Anstieg des Durchschnittseinkommens – durchaus überraschend auch für ihn, wurde er doch von den Medien mit ganz anderen Aussagen und Inhalten bombardiert. Die entscheidenden Faktoren dazu klangen recht banal – Bildung, sauberes Wasser, Elektrizität waren dabei entscheidende Faktoren. Und er war sich auch bewusst, dass diese Entwicklung keine Selbstverständlichkeit war und durchaus einen falschen Weg einschlagen konnte – die Zacken auf den Statistiken des 20. Jahrhunderts zeigten genau die Weltkriege, die spanische Grippe oder die Hungersnot in China noch in den 1960er Jahren. Und genau so ließ sich auch herauslesen, wie wichtig weltweit koordiniertes Vorgehen für die ökologischen Probleme war.

Auch in seinem unmittelbaren Umfeld konnte er nun gravierende Missstände verorten, die ihm vorher nicht so bewusst waren – warum gab es keine flächendeckenden Einrichtungen zur Kinderbetreuung, warum gab es so offensichtliche Defizite im Bildungsbereich? Warum wurden Organisationen gefördert, die unverblümt Ungleichbehandlung von Mann und Frau befürworteten? Dagegen konnte er nun mit Vehemenz auftreten.

Er selbst war ja nun ein winziger statistischer Teil – der erste schwangere Mann! Wer weiß, ob das eine einmalige Laune der Natur war oder auch einen exponentiellen Verlauf nehmen sollte? Evolutionär betrachtet machte es durchaus Sinn, auch wenn es noch keine Erklärung dafür gab ….

Jedenfalls hatten sie schon einen Namen gefunden, völlig frei von Statistik und für den Fall der Fälle auch für einen Buben – man weiß ja nie genau was kommt.

 

Auf die Zukunft!

 

 

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