Der Herbst und die Wienwahl sind da: winter is coming
“Das geht nicht!” wird zu “Das kann nicht sein!”
Manchmal merkt man es zuerst an der Sprache, dass sich etwas verändert.
Ziemlich genau zur Jahrtausendwende war vor allem in den österreichischen Nachrichten anstelle der gewohnten Worte: Das geht nicht! ein neuer Ausdruck: Das kann nicht sein! immer häufiger zu hören.
Das war vor allem die Leistung von Frau Dr. Susanne Riess-Passer.
Sie war in den Jahren 2000 - 2003 für die FPÖ Vizekanzlerin und Ministerin für öffentliche (sic!) Leistung und Sport in der Regierung Schüssel I (ÖVP). In beiden Funktionen war sie öfters mit Stellungnahmen und Interviews in den Medien mit dem neuen Ausdruck vertreten.
Diese vorerst einseitige, aber häufige Abänderung der sprachlichen Konvention verursachte bei Manchen Irritation und Kopfschütteln. Dies um so mehr als sich Riess-Passer auch durch eine gehetzt wirkende, ins Undeutliche gehende Sprache, die oft als Geschwurbel bezeichnet wurde, auszeichnete. Der Inhalt des Gesagten blieb hingegen oft verborgen, was bei ihrem Portefeuille allerdings niemand wunderte.
Im Nachhinein, nach dem durchschlagenden Erfolg dieser neuen sprachlichen Ausdrucksweise, zumindest was Österreich betrifft, kann man sich fragen, wie und warum das geschehen konnte.
Nach 13 Jahren großer Koalition mit der SPÖ einigte sich 1999 die ÖVP mit der FPÖ auf eine kleine Koalition, was vorerst als “große Wende”, und nach deren Scheitern als Regierung Schüssel I bezeichnet wurde.
Vor diesem Hintergrund verstehen sich Bereitschaft und Notwendigkeit, Sachverhalte und Situationen neu wahrzunehmen und Bezeichnungen dafür neu zu denken und diese zu verwenden.
Der alte Ausdruck: Das geht doch nicht! zeigt ein alltägliches und unmißverständliches Bild im Rahmen der Newtonschen Physik: Eine beliebige Masse ist zu schwer, um sie in Bewegung versetzen zu können. Dieses Bild läßt sich ungezwungen auch für menschliche Beziehungen verwenden: Das geht doch nicht! etwa für unangemessenes Verhalten eines Individuums im Verkehr mit anderen Menschen.
Der neue Ausdruck: Das kann nicht sein! beinhaltet kein Bild, und ist in sich nicht logisch. Diese Negation der Gegenwartsform von können für etwas, das der Fall ist ist unzulässig. Etwas ist entweder der Fall oder eben nicht.
Die paradoxe Zusammenstellung dieser Worte möchte eventuell ein Verbot ausdrücken, ohne es als Verbot auszuweisen und ohne den Sprecher als Subjekt zu nennen.
Frau Riess-Passer wollte vielleicht sagen, ich will nicht, dass irgendetwas so bleibt, wie es ist. Aber dazu müsste sie in den Vordergrund treten, einen Sachverhalt identifizieren und dazu Stellung beziehen. Sie müsste sagen: Ich erkenne hier einen Misstand und ich will nicht, dass es so bleibt.
Das tat sie aber nicht, denn dann wäre sie als verantwortliche Politikerin sichtbar geworden und könnte daran gemessen werden, ob sie einen Misstand abstellen kann oder nicht.
Wäre das nur ein Einzelfall, könnte man es dabei bewenden lassen.
Jedoch ist mittlerweile die Vernebelung der Tatsachen, die Entstellung der Wirklichkeit und die der dazugehörenden Sprache eine allgemeine Bewegung geworden, nicht die Ausnahme, sondern vielmehr die Regel.
Ihre Protagonisten heißen nicht mehr Schüssel und Riess-Passer, sondern unter Anderen Kurz, Blümel, Sobotka, Bures, Ludwig, Kogler, Hofer und Hebein.
Ihre Botschaften heißen heute eben fake- oder alternative news, die Worte haben ihre Bedeutung verloren und die Dinge, die Menschen und ihre Beziehungen zueinander auch.
Damit kann man keine Politik machen , die ihren Namen verdient.
Und auch keinen Staat.
Das geht nicht!
Da müssen wir etwas machen!